Neobanken machen es bereits eindrucksvoll vor: Mit spielerischen Elementen gelingt es ihnen, sowohl Kundinnen und Kunden als auch Mitarbeitende zu motivieren und dauerhaft zu binden. Doch warum ist Gamification gerade jetzt auch für traditionelle Banken ein unverzichtbares Thema und wie lässt sich dieser Ansatz auf eine seriöse, vertrauenswürdige Weise umsetzen? Genau darüber spricht unsere Geschäftsführerin Susanne Schwirner mit unserem Kollegen und Gamification-Experten Robert Liebtrau. Sie beleuchten dabei, welche Chancen Gamification für die Branche eröffnet, welche Erfolgsfaktoren entscheidend sind und wie Banken die Balance zwischen Unterhaltung und Professionalität wahren können.
Susanne Schwirner im Gespräch mit Robert Liebtrau
Was ist Gamification eigentlich?
Susanne
„Die meines Erachtens gelungenste Definition stammt von Sebastian Deterding: Sinngemäß sagt er, dass Gamification der Einsatz von Elementen aus Spielen im spielfremden Kontext ist. Das heißt: Wir nehmen Elemente wie Punkte, Level, Badges oder Ranglisten – Dinge, die wir aus Spielen kennen – und setzen sie in einem völlig anderen Bereich ein, zum Beispiel bei Banking-Produkten oder in Lernsystemen. Das Ziel ist das Verhalten zu beeinflussen: Menschen sollen Lust haben, sich mit einem Thema zu beschäftigen, Services zu nutzen oder eine App zu öffnen, weil wir ihnen mit Gamification Freude bereiten. Und: Erlernte Inhalte bleiben hängen, wenn wir sie spielerisch vermitteln. Studien belegen, dass sich Mitarbeitende in “gamifizierten” Lernumgebungen beispielsweise auch über das Geforderte hinaus mit bestimmten Themen beschäftigen.“
Robert
Warum ist Gamification gerade jetzt ein Thema für Banken?
Susanne
„Gamification ist im Banking längst Realität: Sparkassen lassen beispielsweise potenzielle Auszubildende virtuell im Stil eines Pokémonspiels Filialen erkunden und Aufgaben lösen, die ING-DiBa arbeitet mit Level-Systemen für Investments und Bankprozesse werden mit Heatmaps oder Ampelsystemen visualisiert. Im Bankingkontext gibt es verschiedene Zielgruppen für Gamification: Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitende.
Kundinnen und Kunden:
Neobanken setzten als erste auf spielerische Elemente. Kundinnen und Kunden sind Gamification von anderen digitalen Geräten oder Anwendungen gewohnt: von Apps, von Fitness-Trackern wie der Apple Watch oder auch von Shopping-Plattformen. Sie erwarten ein Umfeld, das vertraut wirkt. Banken müssen jetzt nachziehen, sonst springt die Kundschaft ab.
Mitarbeitende:
Hier geht es vor allem um Lernen und Recruiting. Junge Menschen wollen nicht mehr nur PDFs lesen. Sie sind Lernsysteme gewohnt, die einfach, visuell und interaktiv sind. Im Azubi-Recruiting gibt es z. B. Edugames im Pokémon-Style, in denen man virtuell durch eine Bank läuft und Aufgaben löst.“
Robert
Wie bringt man Menschen dazu, sich wirklich mit neuen Themen auseinanderzusetzen?
Susanne
„Zum Beispiel durch die beiden Wege:
- Pflicht. ‚Du musst das machen.‘ Funktioniert, macht aber die wenigsten glücklich.
- Gamification. Viel cooler, weil es Neugier weckt und Eigeninteresse schafft.
In der psychologischen Forschung hat man drei entscheidende Faktoren identifiziert, welche wichtig dafür sind, dass sich Menschen für bestimmte Themen interessieren:
- Soziale Eingebundenheit: Ich lerne, erfahre, erlebe gemeinsam mit anderen Menschen.
- Autonomie: Ich entscheide selbst, dass ich mich mit dem Thema beschäftigen möchte und bin relativ frei in meinen Handlungen.
- Kompetenzerleben: Ich bekomme positives Feedback und merke, dass ich meine Fähigkeiten in Resultate umsetzen kann.
Sind diese Bedingungen erfüllt, entsteht nachhaltiges Interesse. Und im nächsten Schritt Motivation. Genau darum geht es.“
Robert
Es gibt sicher auch Personen, die skeptisch auf Gamification reagieren. Wie reagierst du auf sie?
Susanne
„Viele sagen: ‚Ich spiele gar nicht.‘ oder “Spielen ist nichts für mich”. Das sind aber nicht so viele. Und auch die kann man erreichen. Gamification muss nicht nach ‚Spiel‘ aussehen. Ein simples Feedback wie ‚Du bist besser als 20 % deiner Kolleginnen und Kollegen‘ funktioniert, ohne dass jemand denkt: ‚Oh, ich spiele jetzt ein Spiel.‘
Was in vielen Ansätzen fehlt, ist ein breites und abgestimmtes Konzept, welches beispielsweise auch die verschiedenen Spieltypen anspricht. Manche mögen Schach, andere Trivial Pursuit. Einige spielen gern die Sims und wieder andere erkunden gern im Flight-Simulator die Welt von oben. Die Herausforderung im Bereich Gamification ist es nun, die Spielmechanismen abzustimmen. Sie sollen meine gesamte Zielgruppe, also beispielsweise die Mitarbeitenden meiner Sparkasse, möglichst gut, nachhaltig und zielführend ansprechen. Das zu orchestrieren ist eine große Herausforderung, bei der wir gern unterstützen.
Was viele abschreckt, sind die schlechten Beispiele im Bereich Gamification, welche die Usability negativ beeinflussen. Da fällt mir beispielsweise sofort die Temu-App mit Glücksrädern und Becherspielen ein: Hier ist es offensichtlich, dass man immer gewinnt und man kann das Spiel nicht abbrechen.”
Robert
Wie unterstützt die WG-DATA Banken konkret im Bereich Gamification?
Susanne
„Wir bieten End-to-End-Begleitung.
- Schritt 1: Bedarfskonkretisierung. Wir schauen gemeinsam mit den Kunden, welches Problem mit dem Ansatz gelöst werden soll. Beispielsweise kann es sein, dass die Mitarbeitenden die digitalen Prozesse zu schlecht kennen oder bestimmte Tools nicht so intensiv nutzen, wie gewollt.
- Schritt 2: Vision und Strategie. Wir entwickeln gemeinsam ein Zielbild, brechen es in konkrete Schritte herunter, priorisieren Maßnahmen, ermitteln erforderliche Ressourcen und planen die Umsetzung.
- Schritt 3: Umsetzung und Evaluation. Wir begleiten die technische Umsetzung, nutzen passende Tools oder entwickeln kundenspezifische Lösungen. Und wir evaluieren, was funktioniert, was sich noch optimieren lässt und schauen, dass die Maßnahmen dauerhaft attraktiv bleiben. Wir halten das Spiel also auch gern am Laufen.
Wichtig ist: Wir sehen Gamification nicht als ‚Add-on‘, sondern als Teil einer Gesamtstrategie. Es geht darum, ein System aufzubauen, das langfristig trägt.“
Robert
Und was bleibt am Ende hängen, wenn Inhalte spielerisch vermittelt werden?
Susanne
„Viel mehr als beim klassischen Lernen. Gamification führt dazu, dass Menschen länger und intensiver dranbleiben. Und zwar freiwillig. Sie lernen nicht nur das, was gefordert ist, sondern gehen oft darüber hinaus. Das ist für Banken in der Kundenbindung wie auch im Recruiting und in der Mitarbeitendenentwicklung ein riesiger Vorteil.“
Robert
Ihr Ansprechpartner für Gamification
Robert Liebtrau
Consultant
Strategie und Geschäftsmodelle
robert.liebtrau@wg-data.de
FAQs
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Warum ist Gamification für Banken aktuell relevant?
Gamification ist für Banken aktuell relevant, weil Kunden spielerische Erfahrungen aus Apps, Fitnesstrackern oder Shopping gewöhnt sind und Banken durch Gamification Nutzerbindung, Motivation und Interaktion steigern können – andernfalls droht Kundenabwanderung.
Was versteht man unter Gamification im Bankwesen?
Gamification im Bankwesen bezeichnet den gezielten Einsatz spieltypischer Elemente wie Punkte, Level, Badges oder Ranglisten in nicht-spielerischen Kontexten, um Verhalten zu beeinflussen, die Nutzung zu fördern und Dienstleistungen attraktiver zu machen.
Welche Erfolgsfaktoren sind bei der Umsetzung von Gamification im Banking entscheidend?
Wesentlich sind klare Zieldefinition, passende Spielmechaniken, transparente Regeln, ausgewogene Balance zwischen Unterhaltung und Professionalität sowie technische Integration ohne Komplexitätsüberfrachtung.
Welche Zielgruppen können Banken mit Gamification ansprechen?
Banken können Gamification sowohl nutzen, um bei Kundinnen und Kunden, die Service-Nutzung und Loyalität zu erhöhen, als auch bei Mitarbeitende, um Weiterbildung, Motivation und Engagement zu verbessern.
Welche Fehler sollte man bei Gamification in Banken vermeiden?
Fehler sind etwa Überkomplexität, unklare Anreize, fehlende Transparenz, zu starke Fokussierung auf Belohnungen und fehlende Ausrichtung auf echte Kundenbedürfnisse – das kann Nutzer abschrecken.
Wie unterscheiden sich Gamification-Ansätze für Kunden vs. Mitarbeitende?
Bei Kundinnen und Kunden fokussiert man spielerische Elemente zur Produktnutzung oder Finanzbildung; bei Mitarbeitenden geht es meist um Lernplattformen, Motivation in Prozessen oder interne Wettbewerbe.